...und du bist weg by Theo Pointner

...und du bist weg by Theo Pointner

Autor:Theo Pointner [Pointner, Theo]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-02-13T05:00:00+00:00


22

Fast sah es schon aus wie ein Ritual. Acht Schritte durch das Wohnzimmer, einen langen Blick aus dem Fenster, ein tiefer Atemzug, auf den Hacken kehrt machen, wieder acht Schritte zurück und ungeduldig an der Tür zum Arbeitszimmer lauschen, ob die Unterhaltung inzwischen zu Ende gegangen war. Natürlich nicht. Immer noch waren die Stimmen auf der anderen Seite der Tür zu hören.

Jürgen Burgert schüttelte missbilligend den Kopf und begab sich erneut auf Wanderschaft. Schon seit einer geschlagenen halben Stunde vegetierte er hier herum und wartete darauf, dass sein Bruder die Besprechung mit dem Kirchenvorstand seiner Gemeinde zum Ende brachte.

Endlich vernahm er aus dem Nebenraum das Rücken von Stühlen. Allmählich bewegten sich die Stimmen in die Diele. Aufatmend beendete Burgert seine Wanderung und pflanzte sich auf den schäbigen Holzstuhl, den sein Bruder für Besucher vor seinen Schreibtisch platziert hatte.

»Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat«, entschuldigte sich Heinrich Burgert, als er schließlich das Zimmer betrat. »Hättest du mich heute Morgen angerufen, hätte ich den Termin verschieben können.«

»Mach dir keine Gedanken, Heinrich.«

»Es war wirklich außerordentlich wichtig«, fuhr der Geistliche fort. »Du weißt, demnächst steht die Renovierung der Kirche an. Das Bistum übernimmt zwar gut zwei Drittel der Kosten, aber wir müssen trotzdem noch eine schöne Stange Geld aufnehmen.«

Der Mann auf dem Stuhl musterte seinen jüngeren Bruder. Obwohl es schon kurz nach neun war, steckte er immer noch in seiner Soutane. Katholischer als der Papst, hatte seine Frau Heinrich immer genannt, als sie noch lebte. Burgert musste lächeln. Die Gesichter verrieten zwar die gemeinsame Abstammung, aber ansonsten waren die Geschwister so verschieden wie nur möglich.

»Und?«, heuchelte er Interesse. »Veranstaltet ihr jetzt einen Basar?«

Der Geistliche schob seine Plauze an der Tischkante vorbei und setzte sich ächzend in seinen Sessel, der um einige Nummern bequemer war als der Stuhl vor dem Schreibtisch. »Irgendetwas in der Art wird es wohl mal werden«, nickte er. »Zuvorderst wollen wir allerdings bei einigen betuchten Mitgliedern unserer Gemeinde um Spenden bitten, natürlich von der Steuer absetzbare. Wiemelhausen ist in dieser Hinsicht ein ganz ergiebiges Pflaster.«

Der Priester zwinkerte seinem Bruder zu, fuhrwerkte an einem kleinen Schränkchen außerhalb des Sichtfeldes des anderen herum und beförderte eine Flasche Cognac und zwei ausladende, zu der Qualität des Getränkes passende Gläser hervor. Ohne auf Zustimmung zu warten, schüttete er einen guten Fingerbreit in jedes Glas.

»Wohlsein«, prostete er dem früheren Unternehmer zu und nippte genießerisch an dem abgelagerten Franzosen.

Sein Besucher schob das Glas vorerst achtlos zur Seite.

»Na, wo drückt dich denn der Schuh?«, fragte Heinrich. »Befindest du dich in Schwierigkeiten?«

»Wie man es nimmt. Du weißt doch bestimmt, dass wir die Firma an einen amerikanischen Konzern verkauft haben?«

Der Geistliche sah überrascht auf. »Die Firma? Deine Firma? Wann denn das?«

Nervös trommelte der ältere Burgert ein Solo auf der Armlehne seines Stuhls. »Vorgestern, am Sonntag.«

»Aber warum denn? Willst du dich mit dem Verkaufserlös zur Ruhe setzen?«

»Herrgott, liest du eigentlich nur dein Kirchenblättchen? Es stand doch schon oft genug in der WAZ, dass wir völlig pleite waren.«

Erschrocken hob Heinrich die Hand. »Wenn du Geld brauchst.«

»Ach was«, erregte sich der Besucher.



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